Die Konfliktlinie der gegensätzlichen Werte in der Corona-Pandemie verläuft regelmässig zwischen dem Schutz von Menschen auf der einen Waagschale und allen übrigen Interessen auf der anderen. Für eine Gruppe von 120 Fachleuten aus Medizin und Ethik liegt auf der zweiten Waagschale nicht der verpasste Hockeymatch oder die Angst vor wirtschaftlichen Einbussen, sondern die Lebensqualität. Mit ihrem Appell "Langzeitpflege" fordern sie eine bessere Balance zwischen der beabsichtigten Wirkung und den in Kauf genommenen Nebenwirkungen. Im Appell, der in der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlicht wurde, heisst es: "Für viele Bewohnerinnen und Bewohner, speziell für demenzbetroffene Menschen, hat sich gezeigt, dass die räumliche und soziale Isolation von der Kernfamilie bzw. den wichtigen Bezugspersonen zu einem raschen kognitiven Abbau und körperlichem Zerfall führen – nicht selten mit Folgeerkrankungen, die bis zum Tod führen können."
Mehr Ausgewogenheit ist dringend nötig. Es sind jetzt aber auch ganz praktische Ideen gefragt. Lösungsansätze wären vorhanden. Manche davon sind einfach. Ein solches Beispiel ist die kostenlose App "Automatische Transkription", mit deren Hilfe trotz Maske besser kommuniziert werden kann. Ursprünglich war sie zum Protokollieren gedacht, macht aber auch in Coronazeiten einen guten Job – kreative Lösungen verlangen eben ein Umdenken.
Neue Wege geht auch der Entlastungsdienst Schweiz, Aargau-Solothurn (siehe Aufgeschnappt). Mitarbeitende des Entlastungsdiensts mit Zusatzschulung sollen einen privilegierten Zugang zu Heimen erhalten. Das wäre ein Segen für isolierte Heimbewohnerinnen und -bewohner, falls die Heimtüren schon bald wieder für die Öffentlichkeit geschlossen werden sollten. Davon profitieren würde nicht zuletzt das Pflegepersonal.
Auch die für November geplante Online-Herbstversammlung des Aargauer Netzwerks Alter widmet sich der Frage, welche Lektionen aus dem Lockdown gezogen wurden. Man darf auf viele gute Idee gespannt sein!
Richard Züsli Fachstelle Alter und Familie |