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Interview mit Adrian Schwammberger

Leiter Netzinfrastruktur und Betrieb und Mitglied von OSTRAL

Interview mit Adrian Schwammberger

Leiter Netzinfrastruktur und Betrieb und Mitglied von OSTRAL

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Adrian Schwammberger ist Leiter Netzinfrastruktur und Betrieb bei der AEW Energie AG und Mitglied von OSTRAL.

Adrian Schwammberger ist Leiter Netzinfrastruktur und Betrieb bei der AEW Energie AG und Mitglied von OSTRAL.

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Alle reden von OSTRAL. Was ist die Organisation OSTRAL, wie ist sie aufgebaut und was sind ihre Aufgaben in der Strommangellage?

OSTRAL ist die Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen. Sie untersteht der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes und wird auf deren Anweisung aktiv, wenn eine Strommangellage eintritt. Dies ist dann der Fall, wenn die Produktion die Nachfrage über Tage oder Wochen nicht mehr decken kann. Eine Mangellage tritt nicht unvermittelt ein, sie zeichnet sich über eine bestimmte Zeitdauer ab – damit unterscheidet sich eine Mangellage von einem Blackout OSTRAL unterscheidet vier Bereitschaftsgrade:

OSTRAL: Von der Überwachung bis zum Krisenfall - Bereitschaftsgrade

Quelle: OSTRAL
 

  • Im Normalbetrieb spricht OSTRAL vom Bereitschaftsgrad 1. In dieser Phase überwacht die wirtschaftliche Landesversorgung permanent die Versorgungslage. Aktuell befinden wir uns im Bereitschaftsgrad 1.
  • Zeichnet sich eine Strommangellage ab, hat dies eine erhöhte Bereitschaft zur Folge. Die wirtschaftliche Landesversorgung alarmiert OSTRAL. Nun gilt Bereitschaftsgrad 2. Behörden und wirtschaftliche Landesversorgung appellieren in dieser Lage an die Bevölkerung, freiwillig Strom zu sparen.
  • In Bereitschaftsgrad 3 beantragt der oder die Delegierte für wirtschaftliche Landesversorgung dem Bundesrat, dass entsprechende Bewirtschaftungsmassnahmen in Kraft gesetzt werden.
  • In Bereitschaftsgrad 4 setzt der Bundesrat die notwendigen Massnahmen per Verordnung in Kraft, und die wirtschaftliche Landesversorgung beauftragt OSTRAL mit dem Vollzug dieser Massnahmen. Primär betreffen solche Massnahmen die Stromproduktion sowie den Stromverbrauch. Je nach Intensität der Mangellage können sie zurückhaltender oder einschneidender ausfallen. Die AEW ist Teil der Organisation OSTRAL, sie ist der Region 3 «Nordost» angegliedert und hat einen eigenen Sektor.
     

OSTRAL: Gegliedert in 4 Regionen mit einer strukturierten Regionenorganisation

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Was passiert, wenn der Bereitschaftsgrad 4 ausgerufen wird? Womit müssen die Privathaushalte und Firmen rechnen?

Im Bereitschaftsgrad 4 steht folgendes Massnahmenportfolio für die Lenkung des Stromverbrauchs zur Verfügung:

a) Verbote der Nutzung bestimmter Geräte

Es werden Nutzungseinschränkungen für den Verbrauch von elektrischer Energie z.B. zeitlich begrenzte Nutzung für Saunas, Wellnessanlagen, Waschmaschinen oder Verbote z.B. für Beleuchtungen, Rolltreppen, Personentransportanlagen zu Freizeitzwecken, Schnellladestationen für Fahrzeuge erlassen.

b) Kontingentierung

Verbrauchsstätten, die einen Jahresverbrauch von mindestens 100'000 kWh pro Jahr aufweisen, müssen ihren Verbrauch auf das zugeteilte Kontingent reduzieren. Die Referenzmenge wird aus dem gleichen Monat aus dem Vorjahr abgeleitet. Aktuell können Grossverbraucher mit mehreren Standorten innerhalb eines Verteilnetzbetreibers ihr Stromkontingent über alle Standorte summiert bewirtschaften, später in der ganzen Schweiz. Vorteil ist, es kann beispielsweise ein Standort zu Gunsten eines anderen geschlossen werden.

c) Zyklische Abschaltungen

Hierbei handelt es sich um die einschneidendste Massnahme. Dabei wird der Strom jeweils rotierend für 4 Stunden abgeschaltet. D.h. Privathaushalte, aber auch Firmen erhalten alternativ 4 oder 8 Stunden Strom, dann wird er für 4 Stunden ausgeschaltet, dann wieder alternativ für 4 oder 8 Stunden eingeschaltet usw. Ein solcher Abschaltplan würde dann für eine Woche gleichbleiben, dann um eine Stunde verkürzt, so dass nicht immer die gleichen Kundinnen und Kunden z.B. über den Mittag, wenn's ums Kochen geht, keinen Strom haben. Von solchen Abschaltungen ausgenommen sind so weit als möglich medizinische Grundversorgungen in Spitälern, Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Blaulicht-Organisationen, Wasserversorgung und Abwasserreinigung etc. Alle Ausnahmen werden in der «Verordnung über die Abschaltung von Stromnetzen zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung» aufgelistet. Aktuell bereiten sich alle Energieversorger auf diesen Bereitschaftsgrad 4 vor, um die Vorgaben einhalten zu können. Es zeigt sich bereits heute, dass das Stromnetz resp. die Netzbetreiber in einer solchen Situation besonders gefordert sein würden. Man kann sich das Stromnetz wie eine Weihnachtslichterkette vorstellen: In dieser Lichterkette können nicht einzelne LED-Lämpchen mit Strom versorgt oder einzelne Lämpchen ausgeschaltet werden. Es brennt immer die ganze Lichterkette oder nicht. Deshalb wird aktuell an entsprechenden Schaltplänen gearbeitet, die sicherstellen, dass die vorgängig genannten versorgungsrelevanten Verbraucher auch im Bereitschaftsgrad 4 permanent mit Strom versorgt werden können.

Mögliche Massnahmen bei einer Strommangellage. Quelle: https://www.bwl.admin.ch/bwl/de/home/themen/energie/faq.html

Quelle: www.bwl.admin.ch/bwl/de/home/themen/energie/faq.html

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Sie vertreten die AEW in der OSTRAL. Wie schätzen Sie die Versorgungslage der Schweiz ein?

Die Lage in der Stromversorgung ist angespannt. Insbesondere bei einem kalten Winter wird der Energieverbrauch hoch sein und die Speicher stark beanspruchen. Falls es nicht gelingt die Speicher durch das Jahr 2023 wieder aufzufüllen kann es auch im Winter 2023/24 kritisch werden.

Um dem entgegenzuwirken wurde das Massnahmenpaket «Winterreserven» geschnürt, hierbei handelt es sich um den Einsatz der Wasserkraftreserve sowie von Reservekraftwerken und Notstromgruppen zur Stärkung der Stromversorgung in der Schweiz.

 

Strommangellage einfach erklärt:

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