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Neue Nutzung im alten Ökonomie-Teil

Das Sandmeierhaus in Boniswil wurde 1998 von der Kantonalen Denkmalpflege als kommunales Schutzobjekt eingestuft, 2021 erfolgte auf Antrag des Eigentümers die kantonale Unterschutzstellung. Bei der Restaurierung 2022 wurde die Bau-, Besitzer- und Wirtschaftsgeschichte vom neuen Eigentümer minutiös aufgearbeitet. Sie ermöglicht einen vertieften Einblick und eine lückenlose Dokumentation und wertet das nicht nur privat, sondern neu auch halböffentlich genutzte Gebäude zusätzlich auf.

Boniswil, Sandmeierhaus. © Daniel Humbel.
Boniswil, Sandmeierhaus, Blick aus Nordosten auf die Laubenfront. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

Das Sandmeierhaus entstand Ende des 18. Jahrhunderts in zwei Bauetappen. Gemäss der dendrochronologischen Untersuchung wurde der Ökonomieteil frühestens 1793/94 errichtet. Das talseitig direkt an die Ökonomie anschliessende Wohnhaus ist gemäss dendrochronologischer Untersuchung frühestens 1797 erbaut worden. Auf diese Entstehungszeit verweist auch die eingemeisselte Jahreszahl 1797 am Türsturz. Die Errichtung in zwei Etappen belegen auch Befunde am Bau, so erweist sich die Trennwand der beiden Gebäudeteile als ehemalige Aussenwand, über welche eine Pfette des Ökonomieteils auskragt. Unter dem Eigentümer Rudolf Sandmeier, der das Haus 1874/75 übernahm, erfolgten innere Anpassungen für den Betrieb einer Pintenwirtschaft sowie die Verbreiterung der Laubenfront. Daraufhin erfuhr das Sandmeierhaus neben Unterhaltsarbeiten auch kleinere Umbauten wie eine Modernisierung eines Teils der Fassade der Ökonomie und im Wohnteil den Einbau eines Badezimmers.

Aufarbeitung der Baugeschichte

Historische Akten belegen, dass das Gebäude seit einer Erbteilung unter den Brüdern Samuel und Jakob Schaub 1801 erstmals als "neues Haus" bezeichnet wird. Es wird zudem als noch nicht ganz ausgebaut bezeichnet. Gemäss dem Lagerbucheintrag aus dem Jahr 1812 umfasste die Liegenschaft seinerzeit den talseitigen Wohnteil, Tenne, Stall, Futtertenne und Remise. Aus den Quellen ist ersichtlich, dass die Familie des Erbauers wohlhabend war und um 1800 den grössten Hof im damals noch selbstständigen Dorf Alliswil bewirtschaftete. Zur Existenzsicherung seiner beiden Söhne plante Hans Ulrich Schaub die Aufteilung seines für die örtlichen Verhältnisse damals grossen Hofes. In der Südwestecke seiner Hofstätte baute er das heutige "Sandmeierhaus" in zwei Etappen. Nach seinem Tode war das Haus noch nicht vollständig ausgebaut und im Zuge der Erbteilung von 1801 entschied das Los, dass der jüngere Sohn Samuel Schaub das Haus und den neu geschaffenen Hof erbte. Dieser blieb im Besitz von Nachkommen des Erbauers.

Um 1874/75 übernehmen Rudolf Sandmeier und Elise Senn das Anwesen. Rudolf Sandmeier-Senn betrieb zwischen 1889 und 1907 eine Pinten- bzw. Speisewirtschaft im Wohnhausteil. Hans Sandmeier übernahm den bäuerlichen Vielzweckbau 1916 und heiratete 1926 Ida Kaspar. 1969 wurde das Sandmeierhaus von der Gemeinde Boniswil erworben. Sie erschloss den grossen Baumgarten, veräusserte die entstandenen Bauparzellen, sorgte aber dafür, dass das Haus erhalten blieb, nicht zuletzt deshalb, weil sich Frau Ida Sandmeier ein lebenslanges Wohnrecht ausbedungen hatte. Erst auf diese Zeit geht der Name "Sandmeierhaus" zurück, weil Boniswil die Liegenschaft von der letzten Bäuerin Ida Sandmeier-Kaspar erwarb. Die Gemeinde Boniswil verkaufte das Wohn- und Ökonomiegebäude 1970 an Hans und Agnes Feldmann-Luternauer.

Nach der nächsten Handänderung 2020 stellten die neuen Eigentümer 2021 den Antrag auf kantonalen Denkmalschutz. Durch die unermüdliche Forschungsarbeit des neuen Eigentümers Daniel Humbel und die gute Quellenlage war eine lückenlose Dokumentation des Baus möglich. Diese Informationen werten den eindrücklichen Vielzweckbau massiv auf und bieten aus kulturgeschichtlicher Sicht eine faszinierende Quelle für die Lebensrealität vergangener Zeiten.

Viel historische Substanz

Boniswil, Sandmeierhaus, Stube im Erdgeschoss mit Eckbuffet. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

Das zweigeschossige Sandmeierhaus ist im älteren Teil des Dorfkerns von Alliswil situiert und das Grundstück von drei Strassen umgeben. Das Haus steht traufständig zur Dörflistrasse, die hangabwärts zum Hallwilersee führt. Der zum Gebäude gehörende Umschwung mit gepflästertem Vorplatz, Brunnen und einem grosszügigen Bauerngarten ist weitgehend intakt. Der westliche Ökonomieteil mit Stall und Tenne wurde in Ständerbauweise konstruiert. Das Ende des 18. Jahrhunderts ostseitig angefügte Wohnhaus mit Gewölbekeller wurde in massivem Bruchsteinmauerwerk hochgezogen.

Im Innern entspricht die Grundrissanordnung dem verbreiteten Schema der Vierteilung mit einem der Tenne entlanggeführten Flur zur Erschliessung. Im Vorderhaus befinden sich Stube und Nebenstube, im Hinterhaus die Küche mit danebenliegender Treppe in den Gewölbekeller und das Obergeschoss, sowie ein Hintergaden, in dem sich heute das Badezimmer eingerichtet befindet.

Die Stube bewahrt grosse Teile der originalen Ausstattung, so beispielsweise ein Eckbuffet mit Kasten und integriertem "Zythüüsli" aus Nussbaumholz. Eine Besonderheit stellt der Klappladen dar, mittels welchem sich die Wohnstube mit der Nebenstube verbinden lässt und welcher im Zuge der Neunutzung als Wirtschaft eingerichtet wurde.

Boniswil, Sandmeierhaus, Stube im Erdgeschoss mit Kastenofen. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

In der Stube erhalten hat sich zudem ein aus blauen Füllkacheln mit weissen Friesen aufgesetzter Kachelofen, welcher der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstammt. Die Sitzkunst mit meergrünen und braunen Kacheln dürfte sogar noch etwas älter sein. Nebst der spätbarocken Befensterung sind auch die Feldertäferwände im Erdgeschoss und im Obergeschoss noch erhalten, ebenso wie die bauzeitlichen Breitriemenböden im Obergeschoss. Bereits seit Beginn muss das Haus über einen Kamin verfügt haben, denn das Dachgeschoss ist nicht rauchgeschwärzt.

Boniswil, Sandmeierhaus, Nebenstube im Erdgeschoss. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

Die Trennmauer zwischen Ökonomie und Wohnhaus besteht aus Tuff- und Bruchsteinen, welche mit Mörtel verputzt wurden. Über eine Holzleiter wird von der Tenne aus der Zwischenboden der Scheune erschlossen, von welcher wiederum eine Erschliessung des Tennen-Zwischenbodens möglich ist. Noch heute ist der "Stighoge" vorhanden, über welchen der Estrich des Wohnhauses zugänglich ist.

Aktuelle Restaurierung

Boniswil, Sandmeierhaus, Nebenstube im Erdgeschoss. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.
Boniswil, Sandmeierhaus, Küche im Erdgeschoss. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

Das Sandmeierhaus wurde von der Kantonalen Denkmalpflege 1998 als kommunales Schutzobjekt eingestuft. Da der Schutz des Vielzweckgebäudes jedoch von der Gemeinde nicht umgesetzt wurde, war es lange Zeit nicht auf dem Radar der Kantonalen Denkmalpflege. Die heutigen Eigentümer kauften es 2020 als Wohnhaus. Für die anstehenden Sanierungsarbeiten zogen die Eigentümer den mit historischer Bausubstanz versierten Architekten Florian Rauch bei. Das Ziel war eine private und halböffentliche Nutzung des Baus. Resultiert ist eine denkmalgerechte und vorbildliche Restaurierung. Ein Grossteil der historischen Substanz konnte erhalten bleiben.

Boniswil, Sandmeierhaus, Badezimmer. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

Im Wohnungsteil wurde die ursprüngliche Nutzung beibehalten. Hier ist der hohe Anteil an bauzeitlicher Substanz besonders hervorzuheben. Die Räume stellen ein tolles Beispiel für die Wohnkultur im 18. Jahrhundert dar, viele historische Ausstattungselemente sind erhalten geblieben.

Boniswil, Sandmeierhaus, eines der Zimmer im Obergeschoss. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

Für die aktuelle Restaurierung wurde die historische Raumfolge beibehalten und einzig das Bad, die Küche und eine neue Heizung wurden als neue und additive Elemente in die historische Raumschale eingefügt. Die notwendigen Eingriffe in die historische Bausubstanz konnten durch eine umsichtige Planung und sorgfältige Umsetzung durch die Fachhandwerker auf ein Minimum reduziert werden.

Neue Nutzung im Ökonomieteil

Boniswil, Sandmeierhaus, multifunktionaler Raum im Stall. © Kantonale Denkmalpflege Aargau, Christine Seiler.

Stall und Heustock – bei Bedarf auch die Tenne – werden nun jeweils von April bis Herbst von der Historischen Vereinigung Seetal und Umgebung in Kooperation mit dem Museum Aargau (Schloss Hallwyl) als Kulturwerkstatt genutzt. Ziel ist es, Regionalgeschichte aktiv zu vermitteln. Im Stall wurde dafür eine zweckmässige Infrastruktur in Form einer Sanitärbox eingebaut. Diese enthält eine einfache Sommerküche sowie die WC-Anlage. Das Sandmeierhaus zeigt mit seiner aktuellen Sanierung, dass ein historisches Gebäude dank einer sensiblen Bauherrschaft, einer umsichtigen Planung und entsprechend kompetenter Umsetzung nicht nur erhalten, sondern auch einer nachhaltigen und lebendigen Nutzung zugeführt werden kann. Entstanden ist ein Ort, wo sich Vergangenheit und Gegenwart begegnen können. (Franziska Schmid-Schärer, Daniel Humbel)