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Strengelbachs Siedlungsentwicklung

Im Herbst 2023 hat die Kantonale Denkmalpflege mit der Aktualisierung des Bauinventars von Strengelbach begonnen. Das Bauinventar ist ein Verzeichnis der kommunal schutzwürdigen Gebäude und Kleindenkmäler, das gemeindeweise zuhanden der Gemeinden erarbeitet wird und als Grundlage für die Nutzungsplanung sowie bei Baubewilligungsverfahren dient. Am Beginn der Erarbeitung des Bauinventars einer Gemeinde steht jeweils die Auseinandersetzung mit der Siedlungsentwicklung, die für die Einzelbauten den historischen und räumlichen Kontext darstellt.

Strengelbach um 1840 auf der Michaeliskarte. © Onlinekarten Kanton Aargau

Die heute rund 5'100 Einwohnerinnen und Einwohner umfassende Gemeinde Strengelbach befindet sich im Bezirk Zofingen am westlichen Rand des unteren Wiggertals. Im Früh- und Hochmittelalter war die Wiggerebene aufgrund des ständig wechselnden Flusslaufes eine Sumpflandschaft. Die erste Ansiedlung bildete sich wohl im 10. Jahrhundert im Süden an der Grenze zu Brittnau auf einem Schwemmkegel des Dorfbaches. Nach und nach entstand in diesem Bereich die kleine noch heute im Siedlungsgefüge deutlich erkennbare Haufensiedlung "Dörfli". Entlang der Sägetstrasse und Brittnauerstrasse, die eine durch das ganze Gemeindegebiet durchlaufende Nord-Süd-Achse darstellen, reihten sich vereinzelt Gehöfte auf. Der Rest des Gemeindegebietes war mit einer lockeren Streubesiedlung überzogen. Insgesamt blieb die Bebauung bis ins 20. Jahrhundert spärlich und zerstreut.

Aufbau eines Hochstudhauses. Foto: Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau. Bd. 2, S. 100.

Die vorherrschenden Haustypen in dieser Zeit stellten strohgedeckte Hochstudhäuser und bäuerliche Vielzweckbauten mit Bruchsteinmauerwerk und Ziegeldach dar, von denen einige bis heute erhalten sind. Die als hölzerne Firstständerkonstruktionen errichteten Hochstudhäuser sind mit ihren weit herabhängenden Walmdächern und den ungebrochenen Dachflächen charakteristisch für die Hauslandschaft in den Ackerbaugebieten des schweizerischen Mittellandes und besonders im Gebiet des heutigen Kanton Aargaus. Um 1840 existierten in Strengelbach 117 Wohnhäuser, von denen über 80% ein Strohdach besassen. Viele dieser Häuser wurden erst im frühen 20. Jahrhundert von Stroh auf Ziegel umgedeckt, wobei in der Regel auch eine Verstärkung der tragenden Dachkonstruktion vorgenommen wurde. Mit ihren imposanten vom Schwellenkranz bis zum First reichenden Hochstüden sind diese ehemaligen Strohdachhäuser bedeutende historische und handwerkliche Zeugnisse einer ländlichen Baukultur.

Bäuerlicher Vielzweckbau von ca. 1840 im "Dörfli". © Kantonale Denkmalpflege Aargau

Bei den vor allem aus dem 19. Jahrhundert stammenden bäuerlichen Vielzweckbauten handelt es sich um Häuser, die unter einem durchgehenden First einen Wohntrakt und einen Ökonomietrakt aufweisen. In Strengelbach treten dabei ausschliesslich Mittertennhäuser auf, bei denen sich – wie der Name sagt – das Tenn in der Mitte zwischen dem Wohnteil und dem Stall befindet. Den stattlichsten Vertreter dieses Bautypus zeigt das kantonal geschützte Bauernhaus an der Brittnauerstrasse 55 im "Dörfli".

Bäuerliches Wohnhaus von 1827 an der Brittnauerstrasse. © Kantonale Denkmalpflege Aargau

Ein besonders qualitätvolles und gut erhaltenes Beispiel für ein bäuerliches Wohnhaus mit separater Stallscheune ist das Ensemble an der Brittnauerstrasse 11. Das zweigeschossige Wohnhaus unter einem Mansarddach wurde 1827 errichtet; die Stallscheune unter einem Teilwalmdach ist etwas jünger und kam 1829 hinzu. Die beiden traufständigen Bauten treten im Strassenraum prominent in Erscheinung und sind ein charakteristisches Element des Ortsbildes von Strengelbach.

Reformierte Kirche von Strengelbach. © Kantonale Denkmalpflege Aargau

Dass sich in Strengelbach über mehrere Jahrhunderte kein eigentlicher Dorfkern herausbildete, ist dem Fehlen einer Kirche geschuldet, die gewöhnlich als zentrumstiftendes Element fungiert. Strengelbach war jedoch stets nach Zofingen kirchgenössig. Dies änderte sich erst, als in den 1960er-Jahren sowohl eine katholische wie auch eine reformierte Kirche errichtet wurden. Während die 1968 eingeweihte reformierte Sichtbetonkirche vom Berner Architekturbüro Dubach & Gloor weitgehend im bauzeitlichen Zustand erhalten ist, besteht vom ersten eigenen katholischen Kirchenbau nur noch der Glockenturm in Sichtbeton von 1966. Der Rest des als Holzkonstruktion der Basler Firma Cron ausgeführten Baus wurde 2005/06 durch einen Neubau des Zofinger Architekten Robert Alberati ersetzt. Die im Vergleich zu der reformierten und der katholischen wesentlich kleinere und kapellenartig gestaltete Johanneskirche der Evangelisch-Methodistischen Kirche wurde bereits 1953 nach Plänen von Hans Hauri errichtet und 2011 renoviert.

Strengelbach, Luftbild von 2004. Foto: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Ziebold, Richard / AIC_02-0V-243240-002 / CC BY-SA 4.0

Erste Veränderungen des lange rein bäuerlich geprägten Dorfbildes setzten allerdings bereits vor dem Bau der Kirchen ein als sich die ersten Fabriken in Strengelbach etablierten. Eine der frühsten war die 1730 gegründete Bleicherei im nördlichen Gemeindegebiet am westlichen Ufer der Wigger. Noch bis in die 1990er-Jahre diente das Areal der Textilproduktion, während es heute von verschiedenen gewerblichen Mietern genutzt wird. Bedeutende Textilfabrikunternehmen waren auch die 1842 gegründete Firma J. J. Künzli & Cie. AG, deren Liegenschaften seit 1962 von der Stiftung AZB für Menschen mit Beeinträchtigung benutzt werden, sowie die 1845 gegründete Johann Müller AG. Die noch heute bestehende Johann Müller AG besitzt ein in mehreren Etappen entstandenes Ensemble an Fabrikbauten, das spannungsvoll mit dem ältesten Dorfteil von Strengelbach, dem "Dörfli", verschränkt ist. Neben der Textilindustrie war in Strengelbach im 20. Jahrhundert auch die Möbelfabrikation mit der Firma Nyffeler & Jordi von wirtschaftlicher Bedeutung. Mit ihrem Standort an der Brittnauerstrasse bildete sich auch hier ein enges Nebeneinander von bäuerlicher Bebauung und Fabrikareal.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte durch die Hochkonjunktur eine starke Bautätigkeit insbesondere von Wohnbauten ein. Dazu kam 1980 noch die Eröffnung der Autobahn A2. In Strengelbach fand somit ein rasanter Wandel von einem ländlich geprägten Dorf zur Agglomerationsgemeinde statt. Vermehrt wurde Strengelbach nun auch nicht mehr nur als einzelnes Dorf, sondern als Bestandteil einer grösseren Region gesehen. Dies äusserte sich in den 1960/70er-Jahren zum Beispiel anhand der Planungsutopie "Aarolfingen", gemäss der die Städte AARau, OLten und ZoFINGEN sowie mehrere solothurnische und aargauerische Gemeinden zu einer polyzentralen Mittellandstadt zusammengefasst werden sollten. In den 1990er-Jahren beschäftigte sich das ETH-Forschungsprojekt SYNOIKOS mit Fragen der urbanen Gestaltung und Nachhaltigkeit im Schweizer Mittelland, wobei Strengelbach als Teil einer Netzstadt vorgeschlagen und untersucht wurde. Heute nimmt Strengelbach eine Scharnierfunktion zwischen Land und Stadt ein und partizipiert am Agglomerationsprogramm "AareLand", das sich für eine Stärkung der Zentren Aarau, Olten und Zofingen sowie eine nachhaltige Entwicklung in dieser Region und für die Vernetzung mit Zürich, Basel, Bern und Luzern engagiert.

Eine grundlegende räumlich-strategische Vorstellung davon, welche Richtung die Siedlungsentwicklung Strengelbachs in den nächsten 25 Jahren einschlagen wird, vermittelt das 2022 von der Gemeinde unter Mitwirkung der Bevölkerung erstellte Räumliche Entwicklungsleitbild (REL). Noch genauere Rahmenbedingungen werden durch die aktuell laufende Revision der Nutzungsplanung von Siedlung und Kulturland geschaffen, bei der auch das von der Kantonalen Denkmalpflege erarbeitete Bauinventar berücksichtigt werden wird. (Vanessa Vogler)

Mehr zum Thema

  • Markus Widmer-Dean, Strengelbach. Ein Dorf und seine Geschichte. Strengelbach 2014.
  • Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau. Bd. 2: Fricktal und Berner Aargau, Baden 2002.
  • Peter Baccini, Franz Oswald, Netzstadt. Transdisziplinäre Methoden zum Umbau urbaner Systeme, Zürich 1998.